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Vor 800 Jahren am Weihnachtsfest 1223 ließ Franz von Assisi im Rietital, das 125 km südwestlich von Assisi liegt, in einer Felsenhöhle eine Krippe nachbauen. Ochs und Esel wurden herangeführt, um den vielen herbeigeeilten Menschen einen sehr realistischen Eindruck von der Geburt Jesu in Bethlehem zu vermitteln. Seitdem gehören Krippen und Krippenspiele selbstverständlich zu Weihnachten. Im Laufe der Zeit haben sie sich in Form und Darstellung weiterentwickelt und sich ein Stück weit von der Weihnachtsgeschichte des Lukas entfernt. Obwohl es Lukas wichtig war, die einfachen Verhältnisse zum Ausdruck zu bringen, in denen der Messias geboren wurde, ist davon oft nicht viel zu spüren. Im Laufe der Geschichte wurden Maria und Josef immer prächtiger gekleidet. Selbst die Krippe erhielt manchmal das Aussehen eines Palastes. Die Menschen hatten einfach das Bedürfnis, die Krippe in ihre eigene Zeit und ihr eigenes Leben zu integrieren, und das ist in Ordnung. Sie wollten sich selbst und ihre zeitgenössische Umgebung in der Krippe wiederfinden. Krippen spiegelten in ihrer Ausstattung und Kleidung ihre zeitgenössische Realität wider. Die körperlich wirkenden Figuren sollten dem Betrachter den Eindruck vermitteln, dass er Augenzeuge der Ereignisse in Bethlehem und selbst mit den Hirten zur Krippe gekommen ist. Man wollte das Geschehen in Bethlehem in die eigene Zeit und Lebenswirklichkeit übersetzen.
Im Jahr 2013 haben zehn engagierte Gemeindemitglieder unter der Anleitung des Künstlerehepaars Iskra und Oreste May eine Krippe für St. Willibrord gestaltet, die uns einlädt, uns in das Geschehen hineinversetzen zu lassen. Nicht die Gewänder, nicht der äußere Rahmen oder die Behausung laden dazu ein, sondern die Tonfiguren selbst. Sie haben alle keine ausgeprägten Gesichter, und genau das finde ich faszinierend. Die „gesichtslosen“ Figuren laden mich ein, mich selbst in dieser Krippe zu suchen: als Hirte, als Josef, als Maria, als Ochs und Esel. Die Rollen können wechseln. Aber nicht nur mich selbst kann ich darin wiederfinden, sondern auch viele andere Menschen: den alten Mann, der an Weihnachten allein ist, weil seine Frau gestorben ist; das Kind aus der Nachbarschaft, das zwischen den zerstrittenen Eltern hin- und hergerissen ist; die Geflüchteten, die unterwegs sind und eine ungewisse Zukunft haben; die Menschen, die von Terror und Krieg gebeutelt sind und sich nach Frieden sehnen.
In dieser Krippe kann ich sie alle wiederfinden und ihnen ein Gesicht geben.
Für mich persönlich ist diese Krippe ein Zeichen der Hoffnung und Einladung zur Mitmenschlichkeit. Sie erinnert mich daran, dass wir alle Teil einer größeren Gemeinschaft sind und dass wir die Verantwortung haben, füreinander da zu sein und uns gegenseitig zu unterstützen. Sie ermutigt mich, mich in die Situationen und Lebensumstände anderer Menschen hineinzuversetzen und ihnen mit Empathie zu begegnen.
Ihr
Siegfried Thuringer, Pfr.
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