Gemeinde München

Andreas von Mendel

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Liebe Gemeindemitglieder, liebe Freundinnen und Freunde der Gemeinde!

„Prüft alles und behaltet das Gute“ (1 Thess 5,21) – das ist die von der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB) aus 32 Vorschlägen ausgewählte Jahreslosung für 2025. Ein oft zitierter und pointierter Vers aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die noch junge Gemeinde in Thessalonich (heute Saloniki), geschrieben etwa um das Jahr 50 nach Christus und damit eines der ältesten schriftlichen Dokumente der frühen Kirche. Paulus hat diese Gemeinde auf einer seiner ersten Missionsreisen gegründet, musste die Stadt aber fluchtartig verlassen und reiste weiter nach Athen und später nach Korinth. Von dort aus schrieb er seinen Brief.

Thessalonich war damals eine große, bunte, rasch wachsende Hafenstadt mit Menschen aus verschiedenen Ländern, unterschiedlichen Sprachen und Lebensformen. Heute würden wir wohl von einer multikulturellen Gesellschaft sprechen, unserer Situation wohl nicht unähnlich. Ich frage mich, ob die Empfehlungen des Paulus nicht auch uns heute Hinweise geben können, wie christliches Leben in einem offenen Umfeld aussehen könnte.

Wichtig scheint mir dabei, die Jahreslosung 2025 in ihrem Kontext zu lesen, aber auch zu hinterfragen, denn was Paulus schreibt, scheint mir doch sehr euphorisch zu sein:

Freut euch zu jeder Zeit!

Betet ohne Unterlass!

Dankt für alles;

denn das will Gott von euch,

die ihr Christus Jesus gehört.

Löscht den Geist nicht aus!

Verachtet prophetisches
Reden nicht!

Prüft alles,
und behaltet das Gute!

Meidet das Böse
in jeder Gestalt!
(1 Thess 5,16–22)

Meine Gedanken dazu habe ich einmal in einem Brief an Paulus aufgeschrieben, den ich Ihnen gerne wiedergebe:

Lieber Paulus,

vielen Dank für deine Zeilen, die du aus Korinth geschrieben hast.

Ich muss sagen, du verstehst es, mich immer wieder wachzurütteln, aufzumuntern, aber auch nachdenklich zu machen; z. B. wenn du schreibst:
Freut euch zu jeder Zeit.

Wenn ich dich und dein Leben nicht kennen würde, dann würde ich sagen: Du hast keine Ahnung vom Leben. Sich dauernd freuen? Das hat doch mit dem Leben nichts zu tun. Freude, das ist doch nur ein Teil des Lebens. Und bei vielen überwiegen oft Ärger, Verbitterung, Trauer und Angst.

Nun weiß ich, dass auch dein Leben alles andere als nur freudig war: Ich denke an deine sehr düstere Rolle bei den ersten Christenverfolgungen und dann an die verschiedenen Gefängnisaufenthalte und Verfolgungen, die du selber als Verfolgter erlitten hast. Dadurch bekommen deine Worte: „Freut euch zu jeder Zeit“ ein ganz anderes Gewicht.

Es geht wohl um eine Grundeinstellung zum Leben, darum, ob ich dem Leben und den Menschen gegenüber positiv eingestellt bin oder eher negativ darüber denke. Ich gestehe, dass ich deinen Optimismus oft nicht teilen kann, und ich frage mich, woher du deinen Optimismus nimmst.

Dabei bin ich auch schon beim zweiten Punkt, der mir in deinem Brief nicht ganz klar war. Du ermahnst uns: Betet ohne Unterlass. Schon wieder so eine Übertreibung. Dauernd beten – das gelingt nicht einmal den christlichen Gemeinschaften in den Klöstern. Vom Gebet allein kann niemand leben, auch nicht eine Gemeinde.

Vielleicht müssten wir einmal klären, was du mit Gebet meinst. Ich sage es einmal ganz allgemein: Beten heißt für mich, mit Gott Verbindung zu haben, wie immer die aussieht – mit Worten oder im Schweigen oder auch im Tanz und in meinem Tun. Dass da zwischen mir und Gott eine Beziehung ist, eine Beziehung, die trägt, die mich weitet und die mein Leben in einem anderen Licht – im Lichte Gottes – erscheinen lässt.

„Betet ohne Unterlass“ würde dann heißen: Sorgt euch um diese Beziehung, versucht sie aufrechtzuhalten.

Wenn ich diese Beziehung als bereichernd erlebe, dann gibt es sicher keinen Grund zum Pessimismus. Könnte das der Grund für deinen Optimismus sein und auch für deinen überschwänglichen Dank: „Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört.“?

Deine Mahnung: „Löscht den Geist nicht aus!“, die spricht mir aus dem Herzen. Als du das geschrieben hast, da war ja unsere Glaubensgemeinschaft noch in den Kinderschuhen. Alles war noch in Bewegung, im Aufbruch. Es gab zwar wie heute Gemeinden, aber der Weg, den diese Gemeinden gehen würden, der war noch völlig offen. Es war ein Weg in eine unbestimmte Zukunft.

Unsere Situation ist heute eine andere und doch wieder ähnlich. 2000 Jahre haben ihre Spuren hinterlassen: Die christliche Glaubensgemeinschaft ist geteilt, es gibt gut funktionierende Institutionen, sehr feste Strukturen und verschiedene Kirchen- und Gemeindemodelle. Veränderungen in den einzelnen Kirchen sind oft mühsam, die Ökumene kommt nur langsam voran.

„Löscht den Geist nicht aus“ – das heißt doch aber – und so verstehe ich deine Worte – dass die Offenheit für Neues, die Suche nach neuen Wegen und zeitgemäßen Formen der Glaubensverwirklichung ein Grundanliegen jeder Gemeinde sein muss.

„Löscht den Geist nicht aus“ – hier bin ich vielleicht sogar optimistischer als du: Der Geist Gottes lässt sich nicht aus­löschen, auch das zeigen 2000 Jahre unserer Geschichte.

Du schreibst: Verachtet prophetisches Reden nicht! Als ich das gelesen habe, habe ich nicht an die vielen Untergangspropheten gedacht, die das Ende von Glauben und Kirche prophezeien. Diese würden auch bei deiner Prüfung durchfallen, wenn du sagst: Prüft alles, und behaltet das Gute. Ist das ein Appell für Toleranz? Du wünschst dir wohl eine offene Gemeinde, die die Verständigung sucht, die wahrnimmt, was sie sieht, hört und fühlt, und die die Vielfalt anerkennt. Spricht daraus nicht auch eine große Gelassenheit?

Bei prophetischen Reden denke ich vor allem an die Stimmen, die uns immer öfter an unsere christliche Verantwortung erinnern in Fragen, die die ganze Menschheit betreffen: Frieden – Gerechtigkeit – Bewahrung der Schöpfung. Das sind die Herausforderungen heute, die wir immer noch viel zu wenig ernst nehmen.

Für deine Zeilen sage ich Dank, auch für deine Segenswünsche, die du anfügst und die mich zuversichtlich sein lassen:

Der Gott des Friedens
heilige euch ganz und gar
und bewahre
euren Geist,
eure Seele
und euren Leib
unversehrt,
damit ihr ohne Tadel seid,
wenn Jesus Christus,
unser Herr, kommt.
Gott, der euch beruft,
ist treu;
er wird es tun.

(1 Thess 5,23f.)

In diesem Sinne wünsche ich uns allen für die kommende Zeit „engagierte Gelassenheit“ (Teilhard de Chardin) und ­Gottes Segen für das Jahr 2025: „Prüft alles,
und behaltet das Gute“.

Ihr

Siegfried Thuringer, Pfr.

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