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„Nikolauskapelle: Ort der Begegnung zwischen christlichen Konfessionen und anderen Religionen“ steht in sechs Sprachen auf einem Schild am Zugang zu unserer Kirche. Warum wir das so sehen – und andere dazu einladen möchten, das so zu sehen und den Raum so zu nutzen – erklärt sich aus der Geschichte des Gebäudes:
Vor dem südlichen Stadttor, dem Ketschentor, an der Kreuzung zweier wichtiger Handelsstraßen wurde 1442 in einem sumpfigen Gebiet, durch das sich das Flüsschen Itz schlängelt, vom Rat der Stadt ein Siechenhaus erbaut; 1473 wurde die heutige Kapelle im gotischen Stil errichtet. Geweiht war diese Kapelle dem Heiligen Nikolaus von Myra, der als Helfer für Pilger, Reisende, in Not Geratene und ansteckend Erkrankte angerufen wurde. Denn diese wurden dort gepflegt, gemeinsam mit Menschen aus der Stadt, an denen man ansteckende Krankheiten festgestellt hatte.
Die auf den Fresken aus dieser Zeit dargestellten Heiligen sollten Trost und Hoffnung spenden. Und darüber blickt mit freundlichem Ernst der gekreuzigte, mit langem Gewand bekleidete Christus auf den Betrachter herab. Er ist nicht als ein mit dem Tode Ringender dargestellt, sondern als einer, der Tod und Leiden überwunden hat und sich segnend dem zuwendet, der seine Hilfe erfleht.
Das Siechenhaus bestand bis 1709, dann musste es einem Armenhaus weichen, das zugleich als Altenheim diente. Die Kapelle aber blieb bestehen. Doch in ihr wurden, nachdem sich in Coburg die Reformation durchgesetzt hatte, seit 1529 evangelische Gottesdienste abgehalten. 1706 wurde auf das hohe Satteldach ein Dachreiter mit welscher Haube aufgesetzt. 1723 schlug ein Blitz in die Kapelle; und immer wieder machte ihr das Hochwasser der Itz zu schaffen. Nach jeweils notdürftiger Reparatur verfiel sie zusehends, da sie ziemlich selten genutzt wurde.
1806 entsprach Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha dem Gesuch der kleinen römisch-katholischen Gemeinde, ihr die Nikolauskapelle zur Mitbenutzung als Gotteshaus zu überlassen.
Bald aber beklagte diese Gemeinde den ruinösen Zustand der Kapelle und zog 1860 in die nach kontinuierlichem Anwachsen ihrer Mitgliederzahl neu gebaute neu-gotische Kirche St. Augustin um. Nun diente die Nikolaus-Kapelle wieder ausschließlich dem evangelischen Gottesdienst für die Bewohner des Armen- und Altenheimes und wurde wiederum wenig genutzt.
1873 beantragte die israelitische Kultusgemeinde Coburgs, die Kapelle nutzen zu dürfen. Der Stadtrat, der damals eine tolerante Haltung den Juden gegenüber zeigte, gewährte der jüdischen Gemeinde „zum alleinigen und ewigen Gebrauche“ das Nutzungsrecht an der Kapelle. Ab 1873 erfolgte der Umbau der Kapelle zur Synagoge. Dabei wurde eine weit in den Raum greifende Frauenempore eingebaut. Sie wird durch eine 1910 nach Plänen des Coburger Stadtbaumeisters Max Böhme errichtete überdachte Außentreppe zusätzlich erschlossen. Die neue Empore und ein sechseckiger Vorbau, dem die Westwand der Kapelle weichen musste, sorgten zusammen mit Erweiterungsnischen für eine deutliche Ausweitung des Platzangebotes. Außerdem wurde in den frühklassizistischen Altar, ein Toraschrank eingefügt und davor ein Lesepult zum Auflegen für die Torarollen aufgestellt.
Nachdem sie die Kapelle fast 60 Jahre lang als Synagoge genutzt hatte, wurde der jüdischen Gemeinde 1932 von dem inzwischen nationalsozialistisch dominierten Stadtrat das Nutzungsrecht gekündigt. Die Synagoge wurde geschlossen, die Schlüssel und das Gemeindearchiv wurden beschlagnahmt. Die Torarollen und die Ritualien konnten in die Wohnung des Predigers Hermann Hirsch gebracht werden. Zunächst fand kein Gottesdienst mehr statt; ab Mai 1933 konnten in einer Betstube in der Wohnung des Predigers Hirsch wieder Gebetstunden abgehalten werden.
Diese Betstube wurde beim Novemberpogrom 1938 mit Inventar und Rituatlien zerstört, die Torarollen wurden verbrannt, von dem Toraschrank und anderen Einrichtungsgegenständen ist nichts erhalten geblieben.
Jedoch findet sich über dem Eingang der Kapelle noch eine Spur aus der Zeit ihrer Nutzung als Synagoge: ein steinernes Medaillon aus Blattgirlanden und Füllhörnern mit Resten einer abgeschlagenen hebräischen Inschrift Sä HaSchaar LaJJ, auf Deutsch: Dies ist das Tor zum Herrn (Ps118).
Zwölf Jahre blieb dieses Tor ungenutzt, stand die Kapelle leer, 1945 zog nach Renovierungsarbeiten schließlich die evangelisch-freikirchliche Gemeinde der Baptisten in die Kapelle und hielt hier bis 1961 ihre Gottesdienste. Dann wurde auf Grund des Gemeindewachstums der Umzug in ein eigenes Gemeindezentrum nötig. In dieser Zeit wurde das baufällig und funktionslos gewordene Alten- und Armenhaus abgerissen.
Daraufhin erhielt 1962 die kleine Coburger alt-katholische Gemeinde die Kapelle zur Nutzung als Gotteshaus. In fünfjähriger Kraftanstrengung der Gemeindemitglieder unter Leitung ihres Kirchenvorstandsvorsitzenden Dr. Heino Maedebach und von Seiten des Coburger Stadtrates und des Amtes für Denkmalpflege wurde die Kapelle umfassend restauriert. Dabei wurden die mittelalterlichen Fresken, die bereits während der Nutzung durch die Baptisten freigelegt worden waren, sorgfältig restauriert und dadurch wieder deutlich erkennbar: so beispielsweise die Wandbilder auf der linken Seite des Chorraums, welche die Ereignisse rund um die Geburt Christi illustrieren. Oder Szenen aus der Leidensgeschichte, die sich – leider zerstückelt – um ein Fenster auf der rechten Seite ranken.
Im Bilderfeld neben der Passionsgeschichte wird Jesus am Kreuz von zwei Engeln zu Gott getragen. Dabei verdeutlicht eine zu ihm herabfliegende Taube als Symbol des heiligen Geistes die Verbindung zwischen Gott und dem Gekreuzigten. Unter diesem „Gnadenstuhl“ stehen als Zeugen für das Erlösungsgeschehen Philippus, ein Jünger, und Jakobus (Minor), ein Bruder Jesu, beide erkennbar an ihren bekannten Attributen.
Im Zentrum aber blickt der am Kreuz siegreiche Christus wieder freundlich auf die im Fresko unter ihm versammelten Heiligen und auf die Besucher der Kapelle. Diese versammeln sich nun in einem Raum, der die Schönheit der Spätgotik wiedergewonnen hat. Dazu trägt bei, dass die Empore verkleinert und der zur Synagogenzeit angefügte Vorbau und der ursprüngliche Kapellenraum wieder durch eine Wand getrennt wurden. Den dadurch entstandenen Vorraum ziert ein kunstvoller Taufstein aus der Renaissancezeit, eine Leihgabe der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Dadurch entstanden eine Art Taufkapelle, die bei Feierlichkeiten auch zu Stehempfängen genutzt wird, und darüber im Bereich der Empore ein Raum, der zunächst als Sakristei und heute als kleiner, aber gemütlicher Gemeinderaum dient. Vervollständigt wurde die Ausstattung der Kirche durch ein kleines, aber klangvolles Orgelpositiv der bekannten Orgelbaufirma Beckerath aus Hamburg (5 Register, 378 Pfeifen).
Voll entfaltet sich die besondere Atmosphäre der Nikolauskapelle zur Weihnachtszeit, wenn die flackernden Wachskerzen am Weihnachtsbaum den Chorraum in warm glänzendes Licht tauchen. Dann ist auch der Schrein mit der modernen Krippe von Jörg Manz geöffnet, die das Ehepaar Dr. Minni und Dr. Heino Maedebach der Gemeinde gestiftet haben.
Im Zuge der Sanierung 2000-2002 wurde die vorherige Wildnis aus Büschen und Bäumen von einem stilvollen kleinen Park abgelöst, der sich in die gepflegten Grünanlagen einpasst, welche die Gebäude der Firma Brose umgeben.
2011 wurden die Fresken im Zuge einer von der Stadt getragenen Restaurierung wiederum einer gründlichen Säuberung und Überarbeitung unterzogen.
Bilder (wenn nicht anders vermerkt): Robert & Torben Thomas Rausch, Marlies PlackText: Christl Grünberg
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