Leben in Fülle!

Leben in Fülle!

Liebe Gemeinde, liebe Gäste,

von einem auf den anderen Tag stehen wir plötzlich vor ganz neuen Herausforderungen. Das Leben, wie wir es kennen, hat sich enorm verändert. Ein einfach „weiter so“ gibt es nicht mehr. Die Herausforderungen sind vielfältig – da muss jeder und jede mit ganz unterschiedlichen Dingen umgehen, fertig werden, neue Wege finden und alte Gewohnheiten loslassen.
Für viele Familien sind Homeoffice und Homeschooling die große Herausforderung. Denn diese sind eben nur sehr bedingt miteinander vereinbar und sorgen bei vielen Familien (vor allem mit kleineren Kindern) nicht selten für Stress – vor allem, wenn man den Ehrgeiz hat, alle Leistungsvorgaben zu 100 % erbringen zu wollen.

Von einem auf den anderen Tag haben Viele von uns aber auch plötzlich viel mehr Zeit. Natürlich gilt das nicht für alle gleichermaßen. Manche Menschen müssen gerade in diese Wochen und Monaten besonders viel und unter schwierigen Bedingungen arbeiten. Für ihren Einsatz kann man nur dankbar sein und den Hut ziehen. Aber auch bei diesen Menschen entfällt viel von dem „Feierabend- oder Wochenendstress“, den wir uns oft zusätzlich zur Arbeit noch aufladen.

Erinnern Sie sich noch, wie Sie von einem zum anderen Termin gehetzt sind?
Von der Arbeit schnell nach Hause, umziehen und dann das eine Kind zum Training fahren, während das andere Kind schon darauf wartet aus dem Musikunterricht abgeholt zu werden? Dabei möglichst noch einkaufen und noch mal schnell auf die Bank oder ein paar Blumen holen für die Freundin, die am nächsten Tag Geburtstag hat.
Oder wie Sie sich am Wochenende zwischen mehreren „Freizeit“- Terminen entscheiden mussten und versucht haben, allen Anforderungen gerecht zu werden. Für den Fußballverein Kuchen backen oder beim Aufbau des Sommerfestes anzupacken, der ehrenamtlichen Tätigkeit nachzukommen, in der Kirchengemeinde mitzuhelfen, das Schulfest der Kinder zu besuchen, beim Konzert eines Freundes dabei zu sein und natürlich auch noch die Grillparty der besten Freundin zu besuchen, weil sie sonst enttäuscht oder gar beleidigt wäre – ach ja, der Salat hierfür musste natürlich zwischendrin auch noch vorbereitet werden.

Bis vor wenigen Wochen war die Erfahrung von Stress und Termindruck für Viele von uns Alltag und nicht wenige Menschen hatten ständig das Gefühl, dass Alles einfach zu viel ist. Die Zahlen der an Burnout Erkrankten zeigen schon seit Jahren, dass wir in einer überforderten und sich überfordernden Gesellschaft leben.

In dieser Zeit – die noch gar nicht lange her ist – hat sich die folgende Erzählung zu  einer meiner absoluten Lieblingsgeschichten entwickelt, weil sie auf sehr berührende Weise zeigt, wie wichtig es ist, nicht im Hamsterrad des Alltags verloren zu gehen und das wirklich Wichtige aus dem Auge zu verlieren:

Ein junger und erfolgreicher Manager fuhr mit seinem neuen Auto in hoher Geschwindigkeit dahin. Plötzlich kam ein Ziegelstein geflogen und schlug mit Gewalt auf die Seitentür des Wagens. Der Fahrer bremste scharf und schaltete den Rückwärtsgang ein, bis zur Stelle, wo der Stein hergekommen war. Sprang aus dem Wagen, packte den kleinen „Verbrecher“ und schob ihn gegen den geparkten Wagen: „Warum hast du das getan? Wer bist du? Weißt du, welchen Schaden du mir gemacht hast? Dies ist ein neues und teures Auto, verstehst du? Der Ziegelstein, den du geworfen hast, wird mir viel Geld kosten! Warum hast du das getan?“
„Bitte, Herr, entschuldigen Sie mich, ich wusste nicht, was ich tun sollte!“, bat der Knabe. „Niemand wollte hier sein Auto stoppen, um mir zu helfen.“ Tränen strömten über seine Wangen, während er in Richtung eines umgefallenen Rollstuhles hinwies. „Es ist mein Bruder. Er rollte ohne Hemmung über den Randstein der Straße und fiel aus seinem Rollstuhl. Ich habe nicht die nötige Kraft, ihn aufzuheben. Können Sie mir vielleicht helfen, ihn in seinen Rollstuhl zurückzubringen? Er hat sich verletzt und ist zu schwer für mich.“
Tief bewegt und ohne ein Wort zu sagen, ging der junge Fahrer zum kleinen Verunglückten, hob ihn auf und setzte ihn wieder in seinen Rollstuhl. Dann nahm er sein Taschentuch, wischte und prüfte die Schrammen und Wunden, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei.
„Vielen Dank, Herr! Der liebe Gott wird Sie dafür segnen!“, bedankte sich der Junge, dann griff er mit beiden Händen zu und schob den Rollstuhl seines Bruders nach Hause.
Der junge Fahrer folgte ihm mit seinen Augen und bewegtem Herzen, während der Rollstuhl sich mehr und mehr entfernte. Dann kehrte er zu seinem Auto zurück. Es folgte ein langer, langsamer Weg bis nach Hause.

Die verbeulte Tür wurde niemals repariert. Der Fahrer ließ sie, wie sie war, um sich ständig daran zu erinnern, nicht so schnell durchs Leben zu rennen, dass jemand einen Ziegelstein werfen muss, um Aufmerksamkeit zu bekommen…

Liebe Gemeinde, liebe Gäste,
das Corona-Virus ist vielleicht so etwas wie der Ziegelstein in der Geschichte. Auch wenn ihn niemand geworfen hat, um auf sich aufmerksam zu machen, so hat es uns doch alle ausgebremst und zum Anhalten gezwungen.
Die Zeit und die Ruhe, die uns geschenkt ist, hat viele Menschen ruhiger werden lassen – trotz der Herausforderungen dieser Zeit.
Die Zeit und die Ruhe, die uns geschenkt ist, hat viele Menschen neu nachdenken lassen, über das, was im Leben wirklich wichtig ist und zählt.
Die Zeit und die Ruhe, die uns geschenkt ist, hat viele Menschen kreativ werden und neue Fähigkeiten und Hobbys entdecken lassen.  

Der Ziegelstein Corona-Virus stellt uns nicht nur vor große Herausforderungen und Einschränkungen, sondern bietet uns auch Chancen. Für diejenigen, denen die „Zwangspause“ gut tut und die die Unterbrechung als Befreiung aus Stress, Termindruck und Überforderung erleben, bietet diese Zeit die Möglichkeit, genauer hinzuschauen, wie sie ihr Leben künftig gestalten wollen und können, damit es nicht einfach an ihnen vorbeirauscht.

Doch es gibt auch viele Menschen, die momentan „zu viel Zeit“ haben. Menschen, die die geschenkte Zeit und Ruhe nicht entlastend und positiv erleben, sondern nur schwer damit zurechtkommen. Menschen, die nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen, die unter Einsamkeit leiden und die es nur schwer zu Hause aushalten. Menschen, die es gewohnt waren, viel unterwegs zu sein und sich vielfältig zu engagieren und deren Dauereinsatz nun plötzlich dem Gefühl von Leere im eigenen Leben gewichen ist.

So schwer für diese Menschen die Corona-Zeit auch sein mag, ich glaube, dass diese Zeit auch für sie eine große Chance bietet. Nämlich die Chance genauer hinzuschauen, ob und warum es einem vielleicht schwerfällt, plötzlich auf sich selbst und das eigene Leben zurückgeworfen zu sein. Was macht den Blick nach „innen“ so schwierig, wenn ich nicht mehr durch das „außen“ abgelenkt werde? Gibt es offene Themen und Fragen in meinem Leben, die ich durch mein vielfältiges Engagement zu verdrängen suche? Oder kann ich mich selbst nur lieben und wertvoll fühlen, wenn ich mich übermäßig engagiere und ständig von anderen gebraucht fühle?

Ein Blick darauf, wie wir selbst mit diesem „Ziegelstein“ Corona-Virus umgehen, wie wir uns verändern, was uns fehlt oder gerade guttut, kann für uns zur Chance werden, unser Leben neu zu überdenken und neu zu gestalten.
Dazu braucht es Mut und vielleicht benötigt der eine oder die andere dazu auch Hilfe von außen. Krisenzeiten sind anstrengend und herausfordernd – aber sie bieten eben auch Chancen zur Neuausrichtung und Neuanfang.

Ich wünsche uns allen den Mut dazu, damit wir finden können, was uns verheißen ist und wonach wir uns sehnen:

LEBEN IN FÜLLE!

Gebet

Gott, ich halte inne und suche Deine Nähe.
Vieles in unserer Welt und unserer Umgebung
ist anders geworden und ungewohnt.
Unser Alltag hat sich so radikal verändert:
Keine Versammlungen und gemütliche Abende in der Kneipe,
kein spontaner Besuch bei Freunden oder Verwandten,
jenseits der eigenen Wohnung verschwinden die Gesichter hinter Masken
unerkennbar und unberührbar –
Abstand bestimmt unser Leben,
ein kleines Virus hat die Unbeschwertheit aus unserem Alltag vertrieben.
Gott, ich bitte Dich,
stärke meinen Glauben und mein Vertrauen in Dich,
damit die Angst mich nicht gefangen nimmt
und meine Augen nicht blind sind,
für Deine zärtliche Nähe
und für all das Gute,
das auch in dieser Zeit mitten unter uns geschieht.
Öffne mein Herz, das sich oft so schnell verschließt,
aus eigener Not und Sorge –
vor den Sorgen und Nöten anderer.
Schenke mir die Kraft und den Mut verantwortlich zu handeln
und notwendende Entscheidungen zu treffen.
Hilf mir, die Ruhe und Stille auszuhalten,
und lass mich darin auch eine Chance erkennen
Dir und mir selbst neu zu begegnen.
Stärke mich mit deinem Heiligen Geist,
der Klarheit schafft und ermutigt,
der tröstet und Hoffnung schenkt.
Heute und alle Tage meines Lebens. AMEN

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