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Der erste Kongress von Katholiken, die die vom Vatikanischen Konzil 1870 verabschiedeten Papstdogmen ablehnten, hatte 1871 einige wichtige Grundsatzentscheidungen für die Zukunft der alt-katholischen Gemeinschaft getroffen. So enthielt das von den Delegierten verabschiedete Kongressprogramm die Forderung nach weitreichenden Reformen. Dazu gehörte u.a. die Forderung, allen Kirchenmitgliedern die Möglichkeit einzuräumen, aktiv an den Entscheidungen der Kirche mitzuwirken; auch wurde in diesem Programm die Hoffnung auf Wiedervereinigung der getrennten Christenheit ausgedrückt. Darüber hinaus schloss sich eine überwältigende Mehrheit der Kongressteilnehmer dem Antrag Friedrich von Schultes an, eine eigene alt-katholische Seelsorgestruktur aufzubauen und „eine regelmäßige bischöfliche Jurisdiktion“ einzurichten.
Der zweite Kongress, der ein Jahr später (1872) in Köln stattfand, konkretisierte die Grundsatzentscheidungen von München. So wurde einer vom Kongress eingesetzten Bischofskommission die Aufgabe übertragen, eine Kirchenordnung auszuarbeiten, die der Forderung des Münchener Programms entsprechend bischöflich-synodal verfasst sein sollte. Universalprimat und Unfehlbarkeit vor Augen, wollten die Delegierten verhindern, dass die Alt-Katholiken „an die Stelle des unfehlbaren Papstes“ jetzt einen „unfehlbaren Bischof“ setzten. Anders ausgedrückt: Was alle angeht, soll auch von allen entschieden werden. Diese Kommission sollte zudem die Wahl eines ersten eigenen Bischofs vorbereiten.
Auch die in München ausgedrückte ökumenische Hoffnung wurde in Köln aufgegriffen. Der Kongress beschloss die Einrichtung einer Kommission, die den Auftrag erhielt, sich 1. mit den bestehenden oder sich bildenden Alt-Katholiken-Vereinen, den Vorläufern der späteren Pfarrgemeinden, in Verbindung zu setzen, um konkret vor Ort zu überlegen, was zur Überwindung der Kirchenspaltung getan werden kann; 2. wurden die Theologen aufgefordert, wissenschaftliche Untersuchungen über die bestehenden Glaubensdifferenzen durchzuführen und dabei nach Möglichkeiten zu suchen, diese Differenzen zu überwinden, und 3. – und dies betraf die alt-katholische Basis: Durch populäre Schriften sollte unter den Alt-Katholiken das Verständnis für die Christinnen und Christen anderer Konfessionen geweckt werden.
Bei der Vorstellung des zur Abstimmung stehenden Entwurfes nannte Professor Reinkens, der spätere erste alt-katholische Bischof, zwei wichtige Grundbedingungen für das ökumenische Gespräch, die bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren haben: Zunächst müsse sich jede Konfession selbst als reformbedürftig erkennen. D.h. ein echter Dialog auf Augenhöhe ist nur möglich, wenn sich beide Dialogpartner als Teile der einen ecclesia semper reformanda verstehen und bereit sind, für notwendig erachtete Reformen durchzuführen. Als zweite Grundbedingung für einen erfolgreichen Dialog betonte Reinkens, dass Ökumene nicht nur das Anliegen der Theologen, sondern der ganzen Kirche sein müsse. Wörtlich sagte er: „Die Einigung soll aus der Mitte der Gläubigen herauswachsen, durch die Kraft der Liebe und durch die Macht der Wissenschaft.“
Leider sollte sich bald herausstellen, dass diese Ökumene-Kommission nicht arbeitsfähig war. Ihre Mitglieder waren durch eine Fülle von Aufgaben im Zusammenhang mit dem Aufbau der alt-katholischen Gemeinschaft so sehr in Anspruch genommen, dass für die wichtige Ökumenearbeit kaum Zeit blieb. Ein kostbares Jahr wurde vertan. Erst der Kongress von Konstanz (1873) brachte eine Wende, da anstelle der einen großen Kommissionen drei sog. Subkommissionen eingerichtet wurden, je eine für den Dialog mit den Orthodoxen und den Anglikanern, die auch bald ihre Arbeit aufnehmen konnten. Der auch mit den Protestanten vorgesehen Dialog kam damals leider nicht zustande.
Günter Eßer
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