Gemeinden Mannheim - Ludwigshafen - Hessloch

Die Gaben des Heiligen Geistes

Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elsamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Lybiens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. (Apg 2,1-11)

Liebe Gemeinde,

kennen sie die 7 Gaben, die man in der christlichen Tradition dem Heiligen Geist zuspricht? Ich habe sie mit allen österreichischen Firmlingen lernen müssen, da ich bei meinem ersten Firmkurs dort die Erfahrung machte, dass der Bischof die Firmlinge danach befragte. Ehrlich gesagt, hatten wir sie gar nicht durchgenommen, weil uns andere Dinge mit den Jugendlichen wichtiger gewesen waren, als diese traditionellen Zuschreibungen auswendig zu lernen. Das war dann schon ein bisschen peinlich, als die Jugendlichen keine Antwort geben konnten! Aber in den Jahren darauf waren die Jugendlichen immer bestens präpariert und konnten dem Bischof alle Gaben nennen.

Zu diesen Gaben des Heiligen Geistes gehören Weisheit, Einsicht, Rat, Erkenntnis, Stärke, Gottesfurcht und Frömmigkeit.

Weisheit, Einsicht, Rat und Erkenntnis – vier dieser sieben Gaben beziehen sich gewissermaßen auf unsere Fähigkeit, unsere Welt wahrzunehmen, sie zu verstehen und zu begreifen und diese Erkenntnisse auch an andere weiterzugeben.

In einem Pfingstlied heißt es: O komm Du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein. Verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein.

Dieser Geist der Wahrheit, der Weisheit, der Einsicht und der Erkenntnis – wie sehr braucht unsere Welt diesen Geist! Nicht erst seit Corona-Zeiten habe ich den Eindruck, dass Wahrheit, Weisheit, Einsicht und Erkenntnis in bestimmten Bevölkerungskreisen einen immer schwereren Stand haben. Fake News, alternative Fakten und das Entstehen von Blasen, in denen Menschen mit gleichem Gedankengut leben und sich ständig wieder darin bestärken, anstatt ihre Weltsicht auch von anderen Sichtweisen hinterfragen zu lassen, das treibt mich seit Jahren um und macht mir durchaus auch ein wenig Angst. Die subjektive Wahrnehmung wird von vielen Menschen über objektive Fakten gestellt. Gerade im Bereich der Kriminalität wird dieses besonders deutlich. Sämtliche Statistiken zeigen, dass die Kriminalität in vielen Bereichen rückläufig ist. Trotzdem fühlen sich viele Menschen immer unsicherer und verbreiten ihr Gefühl – dass es immer mehr Kriminalität gibt – als scheinbar objektive Wahrheit weiter. Und das verfehlt nicht seine Wirkung. Denn wenn es viele Menschen sagen, dann glauben immer mehr Menschen daran und schließlich wird es nicht mehr hinterfragt.

Auch im Bereich von Fremdenfeindlichkeit oder bei der Frage von Impfungen funktioniert dieser Mechanismus bestens. Bei der wachsenden Reichsbürgerbewegung wird es ganz deutlich: innerhalb solch einer Gedankenweltblase bildet sich eine Parallelgesellschaft heraus, deren Gedankenwelt und deren Sprache nicht mehr kompatibel sind zu unserer Zivilgesellschaft.

In abgeschwächter Form bilden sich – aus meiner Sicht – gerade sehr viele solcher Parallelgesellschaften, deren Gefährlichkeit für mich darin besteht, dass sie sich miteinander verbinden, auch wenn sie an sich ganz unterschiedliche Interessen haben und unterschiedliche Botschaften verbreiten wollen. Da gehen Gruppierungen und Parteien mit rechter Gesinnung gemeinsam mit Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern aller Couleur auf die Straße – tausende von Menschen. Im Namen der Freiheit wird die Pressefreiheit behindert und Reporter angegriffen. Kritische Berichterstattung wird zur Lügenpresse erklärt – denn die Wahrheit des Lebens kann ja nur innerhalb der eigenen Gedanken- und Meinungswelt zu finden sein.
Prominente Verschwörungstheoretiker erreichen über ihre Follower dazu noch eine enorme Verbreitung dieser Theorien.

All diese Entwicklungen treiben mich schon seit einiger Zeit um, sie machen mir Sorgen und lassen auch ein Gefühl der Hilflosigkeit in mir zurück. Denn wie kann man mit Menschen diskutieren, die alles, was ihrem Weltbild widerspricht, einfach zur Lüge erklären? Wie kann man Menschen erreichen, die ihre „alternativen Fakten“ den Vorzug geben, gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen? Wie soll ein Diskurs gelingen mit Menschen, die kritischen Nachfragen nicht argumentativ begegnen, sondern diese immer nur als Angriff auf sich selbst abtun und sich sofort in die Opferecke der bösen Medien zurückziehen?

„O komm Du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein!“

Dieser Geist der Wahrheit hat es in unseren Zeiten offensichtlich sehr schwer. Es erschreckt mich zutiefst, wie Donald Trump auf den Faktencheck durch Twitter reagiert. Nicht etwa, dass er sich schämt, für die Unwahrheiten, die er verbreitet oder dass er einen Irrtum eingesteht oder sich zumindest sachlich mit dem Faktencheck durch Twitter auseinandersetzt – nein, er will Twitter und andere Onlineformen dafür bestrafen, dass sie nicht alles unhinterfragt auf ihrer Plattform stehen lassen und am liebsten würde er Twitter ganz schließen.
Es entsetzt mich wirklich zutiefst, denn wir reden hier nicht von einem Land wie China oder Nordkorea, sondern vom Präsidenten der Vereinigten Staaten!

Wohin das Ignorieren von wissenschaftlichen Erkenntnissen führen kann, dass zeigt sich auf tragische und bittere Weise in dieser Coronakrise in all jenen Ländern, deren führende Politiker alternative Fakten und das eigene Ego höher einschätzen als die Wahrheit: USA, Brasilien und Großbritannien – unzählige Todesopfer hätten dort vermieden werden können!

Liebe Gemeinde,

obwohl ich theoretisch die gleiche Sprache spreche wie die Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Impfgegner und Menschen, die rechte Hetze in unserem Land verbreiten, fällt es mir oft schwer, sie zu verstehen.

In der Pfingstlesung ist es gerade umgekehrt! Obwohl die Menschen unterschiedliche Sprachen sprechen, verstehen sie einander über alle Sprachbarrieren hinweg – Dank des Heiligen Geistes. Das klingt schon fast himmlisch! Und vielleicht ist es das auch. Dort, wo solch ein Verstehen gelingt, da scheint etwas vom Reich Gottes unter uns auf. Wenn Menschen offen sind und liebevoll miteinander umgehen, dann kann ein solch pfingstliches Verstehen gelingen, wie es auch in der folgenden Geschichte beschrieben wird:  

In einem Hof spielten einmal zwei Kinder ein äußerst lustiges Spiel.

Sie dachten sich eine ganz besondere Sprache aus, in der sie miteinander reden konnten, ohne dass die Leute eine Silbe davon verstanden.“Brif braf“, sagte der Erste. „Braf, bruf“, antwortete der Zweite. Und dann lachten alle beide ganz doll.

Im oberen Stock des Hauses saß ein alter Herr auf dem Balkon und las seine Zeitung. Im Haus gegenüber lehnte sich eine alte Frau zum Fenster hinaus.

„Was sind das für dumme Kinder, die zwei da unten“, sagte die Frau.

Aber der alte Herr war nicht ihrer Meinung: „Das finde ich nicht“.

„Sagen Sie mir nur nicht, dass Sie verstanden hatten, was sie eben gesagt haben“.

„Doch. Ich habe alles verstanden. Der Erste sagte: „Was für ein herrlicher Tag heute“. Und der Zweite antwortete „Morgen wird’s noch viel schöner“.

Die alte Frau rümpfte die Nase, schwieg aber still, weil die Kinder unten im Hof wieder angefangen hatten, sich in ihrer Geheimsprache zu unterhalten.

„Maraschi, barabaschi, pfiffirimoschi“, sagte der Erste. „Bruf“ antwortete der Zweite. Und wieder bekamen sich die beiden vor Lachen gar nicht mehr ein.

„Wollen Sie das auch wieder verstanden haben?“ rief die alte Frau erbost ihrem Nachbarn zu. „Sicher“, antwortete der alte Herr lächelnd. „Der Erste hat gesagt: „Wie sind wir doch froh, dass wir auf der Welt sind!“. Und der Zweite hat ihm geantwortet: „Die Welt ist ganz wunderbar“!

„Aber ist sie wirklich wunderbar, die Welt?“, bohrte die alte Frau

Da schaute der alte Herr sie spitzbübisch an und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen rief er der Frau zu: „Brif, bruf, braf“!

An diesem Pfingstfest bitten wir ganz bewusst um den Heiligen Geist, der nicht nur den anderen, sondern auch uns selbst Liebe und Offenheit – für die Wahrheit und auch für einander – schenken möge, damit Verständnis gelingen kann:

Komm Heilger Geist, mit Deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft. Schenke uns von Deiner Liebe, die vertraut und die vergibt, alle sprechen eine Sprache, wenn ein Mensch den andern liebt!“

Meditation „Komm Heiliger Geist“ (Paul Weismantel)

Komm, Heiliger Geist,
sonst kommen wir um
in unseren vielfachen Zwängen.

Komm, Heiliger Geist,
sonst kommen wir nicht weiter
in unserem Denken und Reden,
sonst bleiben wir geistlos
auf der Strecke.

Komm, Heiliger Geist,
sonst lassen wir uns täuschen
und irreführen,
sonst kommen wir nicht hinaus
über Kleinkram und Kleinkrieg.

Komm, Heiliger Geist,
sonst sind wir heillos
und hoffnungslos überfordert,
sonst zerreden wir zu viel
und hören zu wenig.

Komm, Heiliger Geist,
sonst verlieren wir
den Blick für das Wesentliche,
sonst laufen wir uns tot
in allen möglichen Teufelskreisen.

Komm, Heiliger Geist,
damit unser Leben.
neue Kreise zieht.

Komm, Heiliger Geist,
damit wir uns von dir
locken und leiten lassen,
damit wir mutiger
und geistlicher werden.

Komm, Heiliger Geist,
damit wir das Angesicht
der Welt erneuern,
damit wir deine Kirche sind
und werden.

Komm, Heiliger Geist,
damit wir unsere Berufung
erkennen und ergreifen,
damit wir deinen Trost
und deinen Beistand erfahren.

Komm, Heiliger Geist,
damit wir uns freuen an dem,
was du wirkst in den Menschen,
damit wir in der Weggemeinschaft
mit dir und miteinander bleiben.

Auf der Suche?

Wir sind eine Kirche für alle. Oder besser: für alle, die wollen.
Auch Sie? Finden Sie eine Gemeinde vor Ort.

» Zur Gemeindesuche