Gemeinden Mannheim - Ludwigshafen - Heßloch

Es liegt an uns

Liebe Gemeindemitglieder, liebe Gäste,

neben der Coronakrise sind es vor allem die Bilder aus den USA, die die Welt momentan bewegen und erschüttern. „Amerika brennt“ – oder „Amerika in Flammen“ sind Zeitungsüberschriften, die deutlich machen, wie sehr die Lage dort eskaliert ist. Anlass dafür ist der Tod von George Floyd durch die brutale Vorgehensweise eines Polizisten.

Aber die Ursache der Proteste liegt viel tiefer. Es geht um Rassismus und Unterdrückung – eine Erfahrung, die nicht nur Menschen in den USA tagtäglich machen müssen. Es schockierte mich in der letzten Woche, als ich in der Carolin Kebekus Show von Betroffenen hörten, wie sehr Menschen auch in Deutschland Alltagsrassismus ausgesetzt sind, wenn sie keine weiße Hautfarbe haben.

Dass es diesen Rassismus gibt, war mir durchaus bewusst, aber der Umfang nicht. Es war für mich sehr berührend, als Betroffene erzählten, wie sie diesen alltäglichen Rassismus tatsächlich erleben und wie verbreitet er immer noch in unserer Gesellschaft ist.

Neben den offenen Anfeindungen und Beschimpfungen gibt es auch noch einen Rassismus, der viel stiller und subtiler daher kommt. Aus meiner eigenen Verwandtschaft weiß ich, wie sehr es einen Menschen (als kleines Baby in Deutschland adoptiert) verletzen kann, wenn er immer wieder danach gefragt wird, woher er denn komme, nur weil die Hautfarbe etwas dunkler ist. Und wie sehr es schmerzt, wenn Leute die Antwort „aus Deutschland“ nicht akzeptieren und weiter fragen: „Aber woher kommen Sie denn wirklich?“

Oder wie sehr sich die Erfahrung einbrennt, wenn man in Deutschland geboren ist aber aufgrund einer Nicht-weißen Hautfarbe oder eines ausländischen Namens immer wieder gesagt bekommt, dass man ja sehr gut Deutsch spreche!

Oder die Erfahrung, dass man zu Einstellungsgesprächen oder Wohnungsbesichtigungen aufgrund eines nicht deutsch klingenden Namens erst gar nicht eingeladen wird.

Im Vergleich zu dem, was in den USA passiert ist, hört sich diese Form des Rassismus erst mal harmlos an, aber er ist es nicht, denn er prägt und verändert das Leben von Menschen!

Unabhängig von der Frage des Rassismus sollten wir uns immer wieder bewusst machen: kein Mensch lebt für sich allein und wir sind durch unser Handeln und unsere Worte auch mit dafür verantwortlich, dass das Leben anderer gut gelingen kann.

Wenn ich Menschen aus irgendwelchen Gründen mobbe, abwerte, beschimpfe, klein mache, nicht ernst nehme, auslache oder ignoriere, dann bin ich für die Folgen in deren Leben mitverantwortlich. Und umgekehrt genauso. Wenn ich andere gut behandle, ihnen etwas zutraue, für sie da bin, sie unterstütze, ihnen helfe, dann kann in deren Leben zum Guten hin beeinflussen. In der folgenden Geschichte wird das auf sehr eindrückliche Weise deutlich:

Eines Tages, ich war gerade das erste Jahr in der Schule, sah ich ein Kind aus meiner Klasse nach Hause gehen. Sein Name war Michael. Es sah so aus, als würde er alle seine Bücher mit sich tragen. Ich dachte mir: „Warum bringt wohl jemand seine ganzen Bücher an einem Freitag nach Hause? Das muss ja ein richtiger Dummkopf sein.“ Mein Wochenende hatte ich schon verplant mit meinen Freunden also zuckte ich mit den Schultern und ging weiter.

Als ich weiter ging, sah ich eine Gruppe Kinder in seine Richtung laufen. Sie rempelten ihn an, schlugen ihm seine Bücher aus den Armen und schubsten ihn so dass er in den Schmutz fiel. Seine Brille flog durch die Luft, und ich beobachtete, wie sie etwa drei Meter neben ihn im Gras landete. Er schaute auf und ich sah diese schreckliche Traurigkeit in seinen Augen.

Mein Herz wurde weich. Ich ging zu ihm rüber, er kroch am Boden umher und suchte seine Brille, und ich sah Tränen in seinen Augen. Als ich ihm seine Brille gab, sagte ich: „Diese Typen sind Blödmänner“. Er schaute zu mir auf und sagte: „Danke!“ Ein großes Lächeln zierte sein Gesicht. Es war eines jener Lächeln, die wirkliche Dankbarkeit zeigten. Ich half ihm seine Bücher aufzuheben und fragte ihn, wo er wohnt. Es stellte sich heraus, dass er in meiner Nähe wohnt, also fragte ich ihn, warum ich ihn vorher nie gesehen habe. Er erzählte mir, dass er zuvor auf eine Privatschule ging. Ich hätte mich nie mit einem Privat-Schul-Kind abgeben. Den ganzen Nachhauseweg unterhielten wir uns; und ich trug seine Bücher. Er war eigentlich ein richtig cooler Kerl. Ich fragte ihn, ob er Lust hätte mit mir und meinen Freunden am Samstag Fußball zu spielen. Er sagte zu. Wir verbrachten das ganze Wochenende zusammen und je mehr ich Michael kennen lernte, desto mehr mochte ich ihn. Und meine Freunde dachten genauso über ihn. Es begann der Montagmorgen, und auch Michael mit dem riesigen Bücherstapel war wieder da. Ich stoppte ihn und sagte: „Oh Mann, mit diesen ganzen Büchern wirst du eines Tages noch mal richtige Muskeln bekommen“. Er lachte und gab mir einen Teil der Bücher. Während der nächsten vier Jahre wurden Michael und ich richtig gute Freunde Als wir älter wurden, dachten wir übers College nach. Michael war Abschiedsredner unserer Klasse. Ich war so froh, dass ich nicht derjenige war, der sprechen musste.

Am Abschlusstag sah Michael großartig aus. Er war einer von denen, die während der Schule zu sich selbst finden und ihren eigenen Stil entwickeln. Er hatte mehr Verabredungen als ich und alle Mädchen mochten ihn. Manchmal war ich richtig neidisch auf ihn. Heute war einer dieser Tage. Ich konnte sehen, dass er wegen seiner Rede sehr nervös war.

Ich sagte: „Hey, großer Junge, du wirst großartig sein!“ Er sah mich mit einem jener Blicke (die wirklich dankbaren) an und lächelte. „Danke“ sagte er.

Als er seine Rede begann, räusperte er sich kurz, und fing an.

„Der Abschluss ist eine Zeit, um denen zu danken, die dir halfen, diese schweren Jahre zu überstehen. Deinen Eltern, Deinen Lehrern, Deinen Geschwistern, vielleicht einem Trainer…. aber am meisten Deinen Freunden. Ich sage euch, das beste Geschenk, dass ihr jemandem geben könnt, ist eure Freundschaft. Lasst mich euch eine Geschichte erzählen“.

Ich schaute meinen Freund etwas ungläubig an, als er von dem Tag erzählte, an dem wir uns das erste Mal trafen. Er hatte geplant, sich an diesem Wochenende umzubringen.

Er erzählte weiter, dass er seinen Schrank in der Schule ausgeräumt hat, so dass seine Mutter es später nicht tun müsste und trug sein Zeug nach Hause. Er schaute mich an und lächelte.

„Gott sei Dank, ich wurde gerettet.“ Mein Freund hat mich von dieser unsäglichen Sache bewahrt.“ Ich konnte spüren, wie die Masse den Atem anhielt als dieser gutaussehende, beliebte Junge uns von seinem schwächsten Augenblick im Leben erzählte. Ich bemerkte wie seine Mutter und sein Vater lächelnd zu mir herüber sahen, genau dasselbe, dankbare Lächeln. Niemals zuvor spürte ich solch eine tiefe Verbundenheit.

Unterschätze niemals die Macht Deines Handelns. Durch eine kleine Geste kannst du das Leben einer Person ändern. Zum Guten oder zum Bösen. Die Schöpfung setzt uns alle ins Leben des anderen, um uns gegenseitig zu beeinflussen, auf jede Art und Weise.

Liebe Gemeinde, liebe Gäste,

wir sollten im Umgang mit anderen niemals die Macht unserer Worte und unseres Handelns vergessen. Das gilt in der Frage des Umgangs mit Menschen anderer Herkunft oder Hautfarbe genauso wie im Umgang mit unserer Familie oder Nachbarschaft. Unsere eigenen Worte und unser eigenes Handeln beeinflussten aber nicht nur das Leben anderer Personen, sondern auch das Zusammenleben in einer Gesellschaft. Nur dort, wo Menschen auf Augenhöhe, mit Respekt und Fürsorge miteinander umgehen – unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe – wird in einer Gesellschaft dauerhaft Frieden möglich sein. Unsere Worte und unser Handeln verändern das Leben von Menschen und damit auch ein kleines bisschen die Welt – es liegt an uns, in welche Richtung wir sie verändern!

Jüdischer Segensspruch

Ich wünsche Dir Augen,
mit denen Du einem Menschen ins Herz schauen kannst
und die nicht blind werden, aufmerksam zu sein auf das,
was er von Dir braucht.

Ich wünsche Dir Ohren,
mit denen Du auch Zwischentöne wahrnehmen kannst,
und die nicht taub werden beim Horchen auf das,
was das Glück und die Not des anderen ist.

Ich wünsche Dir einen Mund,
der das Unrecht beim Namen nennt,
und der nicht verlegen ist,
um ein Wort des Trostes und der Liebe zur rechten Zeit.

Ich wünsche Dir Hände,
mit denen Du liebkosen und Versöhnung schenken kannst,
und die nicht festhalten,
was Du in Fülle hast, damit Du teilen kannst.

Ich wünsche Dir Füße,
die Dich auf den Weg bringen, zu dem, was wichtig ist,
und die nicht stehen bleiben,
vor den Schritten, die entscheidend sind.

Ich wünsche Dir ein Rückgrat,
mit dem Du aufrecht und aufrichtig leben kannst,
und das sich nicht beugt,
vor Unterdrückung, Willkür und Macht.

Und ich wünsche Dir ein Herz,
in dem viele Menschen zu Hause sind,
und das nicht müde wird,
zu lieben und sich lieben zu lassen

Uns so segne Dich und die Menschen, die Du liebst,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. AMEN

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