Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde unserer Gemeinde,an Mariä Geburt (8. September) fliegen die Schwalben furt, so eine Bauernregel. Das bedeutet, dass der Sommer zu Ende ist. Aber bevor der Herbst beginnt, feiert die Gemeinde Bremen ihr zehnjähriges Bestehen. Anders als in Wilhelmshaven ist für Bremen sogar eine kleine Festwoche mit verschiedenen Akzenten geplant worden. Am Festtag der Geburt Mariens endet die Festwoche mit dem Festgottesdienst und anschließendem Beisammensein.Das Fest der Geburt Mariens geht auf den Weihetag der Jerusalemer Annenkirche zurück. Das Wohnhaus von Joachim und Anna als Mariens leiblichen Eltern, Jesu Großeltern, wird in der Nähe der Annakirche vermutet. Diese Annakirche liegt ganz nah beim Schaftor und den beiden Zisternen, die als Teiche von Bethesda aus dem 5. Kapitel des Johannesevangeliums bekannt sind. Die dort beschriebene Hei-lungsgeschichte möchte ich gerne ein bisschen in diesem Text betrachten.Um diese beiden Becken bzw. Zisternen herum soll es überdachte Säulenhallen gegeben haben, wo viele Kranke, Blinde, Lahme und Verkrüppelte lagen, so heißt es da. Wenn das Wasser im Teich aufwallte, so nahm man an, dass ein Engel darin abstieg und derjenige von den Kranken, der dann zuerst das aufwallende Wasser erreichte, geheilt wurde. Ein Mann, so heißt es bei Johannes, lag dort nun schon 38 Jahre und wartete auf seine Chance. Bisher war ihm immer ein anderer Kranker zuvorgekommen. Als Jesus diesen Mann dort traf, erzählte dieser ihm von seinem Leid, dass es niemanden gäbe, der ihn zum Wasser trüge. Vielleicht hoffte der Mann, dass Jesus ihn zum Wasser bringt (?).Eine Geschichte, die wahrscheinlich auch in unserer modernen Welt nicht hätte anders erzählt werden können. Nur der Erste, der Schnellste, der Smarteste holt den Siegespreis. Sogar bei den Kranken – immer dasselbe Spiel. Der Erfolg kann nur von der eigenen Anstrengung und Leistung erzielt werden.Gerade weil diese Geschichte von einem kranken Mann handelt, will der Evangelist den Menschen als bedürftiges, unvollkommenes Wesen beschreiben. Dem Leser stellt er Jesus vor, der Althergebrachtes noch mal ganz neu in Kraft setzt. Unser christlicher Glaube und auch die darauf gebauten christlichen Kirchen be-ruhen häufig auf einem Infragestellen von gängigen und althergebrachten Verhaltensformen. Mit einem Paradigmenwechsel haben die ersten Christen eigentlich die neuen Gemeinden und die Kirche gegründet. Jesus selbst nämlich, so zeichnet es der Evangelist, geht überhaupt nicht auf diese Spielregeln dort an den Teichen ein. Er fragt den Mann zuerst, ob er gesund werden will. Das bedeutet eigentlich: Willst Du so weitermachen und alte Spielregeln akzeptieren? Der Mann, der das noch gar nicht verstanden hat, was Jesus kann und was er den Menschen Neues bringt, lamentiert nur nach der alten Ordnung – dass er immer zu kurz gekommen sei und er niemanden habe, der ihn zur Gesundheitsquelle bringt. Diesem „alten Spiel“, in das sich die Menschen gefügt und auch eingerichtet hatten, spricht Jesus ein barsches Wort: Steh auf und geh! Nimm zuvor deine Bahre mit! Jesus bricht mit der alten Ordnung. „Steh auf, nimm deine Bahre und geh!“ bedeutet zuerst: Im Althergebrachten findest du dein Heil nicht.So deute ich eigentlich auch die Gründung unserer beiden Gemeinden in Bremen und Wilhelmshaven. Menschen hatten entdeckt, dass sie unter den alten Vorzeichen im Schoß der Großkirchen ihr Heil nicht finden konnten. Sie konnten eigentlich nur im Aufstehen und Gehen zu sich finden, denn das Heil lag längst in ihnen verborgen. Jesus hatte sie darauf aufmerksam gemacht. Er sagt in dieser Geschichte des Johannesevangeliums allerdings nicht, geh und such dir einen anderen Teich. Jesus ist nicht der Handlanger alter Strukturen und trägt den Mann nicht zum Wasser. Sondern der Tag, an dem dieses Wunder geschah, ist in diesem Fall des Rätsels Lösung. An einem Sabbat geschah das. Der Tag des Herrn ist Heiligtum und Heilstätte zugleich. Lebe auf und wohl, gerade an dem Tag, an dem das Heil gefeiert wird. Sieh zu, dass du von diesem Heil genug abbekommst und nicht wieder ein anderer dir alles wegschnappt. Das könnte eine schlüssige Übersetzung dieser Geschichte gerade für die Neugründung zweier Ge-meinden sein. Da, wo menschliche Sehnsucht nach Geborgenheit und Heil individuell zu kurz kommen, da ist vielleicht die Gemeinde, modern gesagt das Setting zu groß. Wo die Gruppengröße stimmt, man selbst auch hineinpasst und diese nicht sprengt, da gehen die Gemeindemitglieder eigentlich jeden Sonntag bzw. Samstagabend zu einem Ort, an dem dieses neue Jesus-Wort aus der eben genannten Geschichte immer wieder ihr Wort wird. Sie merken und spüren, dass es gut war, Altes zu verlassen und auf Jesu Wort hin Neues zu suchen. Als Katholiken nehmen wir unsere Traditionen und Geschichte immer mit; „nimm deine Bahre“ bedeutet das. Aber geh auch! Bleib in Bewegung und geh auf den nächsten Sabbat zu, und hör nicht auf das Gezeter der Leute, die im Alten verhaftet geblieben sind.Unter diesem Wort aus dem Johannesevangelium lässt es fürwahr gut in diesem Jahr in beiden Gemeinden Jubiläum feiern. Wohl wissend, dass es immer wieder der Bestätigung und der Aufforderung des Herrn bedarf. Steh auf, nimm deine Bahre und geh! Das feiern wir mit allen anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und immer wieder machen sollen. Zehn Jahre alt-katholisches Leben ist zuallererst durch stetige Veränderung geprägt, aber auch durch die Versicherung durch Jesu bleibendes Wort und seinen Rat.So schauen wir zuversichtlich nach vorne und auch in die nächsten drei Monate, solange dieser Gemeindebrief gilt.Ihnen und Euch einen schönen Herbst wünschtEuer und Ihr Pfarrer Meik BarwischDer komplette Gemeindebrief 4/24 (September 24 – November 2024) kann hier heruntergeladen werden.