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Gedenken und Feiern

18.07.2020

Ein Wort von Bischof Matthias Ring zum 150. Jahrestag der Papstdogmen von 1870

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Am heutigen Tag, am 18. Juli, jährt sich zum 150. Mal die Dogmatisierung der Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit und vom päpstlichen Jurisdiktionsprimat durch das Erste Vatikanische Konzil. Der Widerstand gegen diese Lehrsätze führte innerhalb weniger Jahre zur Bildung einer von Rom unabhängigen alt-katholischen Kirche.

Bischof Dr. Matthias Ring

Um es in Anlehnung an einen aktuellen Buchtitel von Peter Neuner zu sagen: Das Konzil wirft bis heute einen langen Schatten auf unsere Schwesterkirche. Der Jurisdiktionsprimat hat zu einer extremen Zentralisierung geführt, die es schwer macht, Pluralität zuzulassen sowie die Möglichkeit, jeweils vor Ort Lösungen für Probleme zu finden. Auch wenn vom Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit nur einmal, 1950, Gebrauch gemacht wurde, leistet es einem Verständnis von kirchlicher Lehre Vorschub, das Entwicklung kaum noch denken kann. Auch Entscheidungen, die nicht im Sinne der Konzilsdefinition ex cathedra gefällt werden, beanspruchen mittlerweile Letztverbindlichkeit. Nach meiner Meinung hat dies das römisch-katholische Lehramt in die eine und andere lehramtliche Sackgasse geführt. Deutlich wird das im Bereich der Ehe- und Sexualmoral, aber ebenso beim Thema „Frauenordination“. Das Verharren in lehramtlichen Sackgassen führt freilich auf Dauer zur Erosion der Autorität des Lehramtes, wenn sich der Glaubenssinn des Volkes und die fixierte kirchliche Lehre immer weiter auseinanderentwickeln.

Eine Kirchenspaltung ist kein Grund zum Feiern, doch dürfen wir dankbar derer gedenken, die vor 150 Jahren bereit waren, für ihre Überzeugung einzustehen. Die alt-katholische Gründergeneration beließ es freilich nicht beim Protest und bei der Verneinung, sondern sie bildete Gemeinden und schließlich ein Bistum, weil sie ihr Ideal von Kirche mit Leben füllen wollte. So entstand eine synodale, reformorientierte, ökumenisch offene und doch katholische Kirche – Kennzeichen, die zugleich Anspruch und Herausforderung sind.

Ich wünsche mir, dass die Jahrestage, die vor uns liegen und die wichtige Wegetappen unserer Kirchwerdung markieren, nicht nur Anlass zur geschichtlichen Rückschau sind, sondern anregen, darüber ins Gespräch zu kommen, wie wir unser Ideal des Christ- und  Kircheseins in der Gegenwart ausbuchstabieren können. „Nach vorne feiern“, so habe ich diese Idee vor der Synode 2018 genannt. Um gleich am 18. Juli einen Akzent zu setzen, war für heute in Bonn eine Tagung geplant, die sich nicht mit dem Papstamt beschäftigen sollte, sondern mit der Frage, wie politisch Kirche sein soll bzw. darf, eine Frage, die seit ein paar Jahren verstärkt in unserem Bistum diskutiert wird. Leider hat die derzeitige Pandemie diese Planung zunichte gemacht, doch wir überlegen, wie wir unter den geänderten Umständen diesen Diskussionsprozess dennoch durchführen können.

Gerade an diesem Tag möchte ich betonen, dass ich dankbar bin für das ökumenische Miteinander, das mittlerweile mit der römisch-katholischen Kirche möglich ist, und zwar auf allen Ebenen. Trotz aller Unterschiede und ohne diese unter den Teppich zu kehren, sollten wir weiter diesen Weg der Verständigung und Gemeinschaft gehen.

Nach 150 Jahren sind wir als Kirche kein Provisorium mehr, wie es lange Zeit in unseren Kirchlichen Ordnungen stand. Wir sind eine, wenn auch kleine Kirche mit einem eigenen Profil, mit lebendigen Gemeinden und vielfältigen ökumenischen Beziehungen. Dafür dürfen wir dankbar sein und das – meine ich – dürfen wir in den nächsten Jahren auch feiern.

Gottes Segen wünscht Ihnen allen

Ihr

Bischof Dr. Matthias Ring

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