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In jener Zeit sprach Jesus: Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen. Dieses Gleichnis erzählte Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte. Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein und aus gehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. (Joh 10,1-10)
Liebe Gemeinde,
„Du darfst mit keinem Fremden mitgehen“ – das versuchen alle Eltern ihren Kindern beizubringen. Doch für Kinder ist das gar nicht so leicht umzusetzen; das zeigen Versuche, in denen Testpersonen Kinder anzulocken versuchen. Süßigkeiten oder angebliche Hundebabys sind für Kinder trotz aller Warnung sehr verlockend. Aber auch die Hilfsbereitschaft von Kindern kann zum Problem werden – wenn das Kind helfen will, vermeintlich weggelaufene Tiere zu suchen oder den Weg zu zeigen. Auch wenn solche Bedrohungen durch Fremde für unsere Kinder sehr selten sind, so stehen sie aber dennoch in der Gefahr an Menschen zu geraten, die es nicht gut mit ihnen meinen und die ihre Gesundheit oder gar ihr Leben bedrohen könnten. „Nicht mit Fremden mitgehen“ gehört deshalb auch zu den Warnungen, die alle Eltern ihren Kindern immer wieder einzutrichtern versuchen.
Im heutigen Evangelium schärft uns Jesus genau das Gleiche ein – oder besser gesagt: Er geht davon aus, dass wir Erwachsenen klug genug sind, um dies nicht zu tun. Weil wir einem Fremden, von dem wir nicht genau wissen, was er mit uns vorhat, kritisch begegnen und ihm nicht blind folgen würden, weil wir um die Gefahr wissen, dass wir an falsche Hirten geraten könnten, die uns schaden oder sogar ins Verderben führen!
Doch die deutsche Geschichte hat leider mehr als deutlich gezeigt, dass auch erwachsene und kluge Menschen auf falsche Hirten hereinfallen können und wohin ein blinder Gehorsam gegenüber den falschen Hirten führen kann.Andererseits sind wir als einzelne Personen – aber auch als Gesellschaft – auf Hirten angewiesen, die uns helfen, die richtigen Wege zu finden, die uns sicher auch durch schwieriges Gelände führen und die uns vor Gefahren beschützen. Gerade diese besondere Zeit macht deutlich, wie wichtig es ist, gute und verantwortungsbewusste Hirten zu haben, denen das Wohl aller Menschen am Herzen liegt und die ihr Möglichstes dafür tun, die ihnen anvertraute Herde zu schützen. Selbst beim besten Willen solcher guten Hirten ist und bleibt dies ja immer noch eine schwierige Aufgabe, weil man oft nicht so klar sagen kann, welche Wege wirklich zielführend sind.
Diese Zeit macht auch in besonderer Weise deutlich, dass man sehr genau schauen sollte, welchen Hirten man wählt und wem man sich anvertraut. Denn wenn man erst in einer bedrohlichen Lage feststellen muss, dass es dem vermeintlichen guten Hirten mehr um seine Umfragewerte und sein Ansehen in der Herde geht, als darum, die Gesundheit und das Leben der ihm Anvertrauten zu schützen, dann ist es zu spät – dann kann dies viele unnötige Menschenleben kosten.
Doch nicht nur Kinder sind lassen sich von solchen nur vermeintlich guten Hirten anlocken. Viele, wenn nicht sogar die meisten Menschen, stehen in der Gefahr, sich von solchen Hirten verführen zu lassen, die zwar behaupten, dass sie nur Gutes im Sinne hätten, die dann aber nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Die Zeit des Nationalsozialismus ist vielleicht das schrecklichste Beispiel dafür. Aber auch in unserem ganz normalen Alltag gibt es unendlich viele Hirten, die möchten, dass wir ihrer Stimme folgen – angeblich zu unserem Nutzen, aber in Wahrheit nur zu ihrem Besten.
Das gilt in der Politik, in Gesellschaft und Kirche und besonders auch im wirtschaftlichen und kommerziellen Bereich. In der Werbung werden wir von solchen Hirten geradezu eingelullt, mit dem, was wir zu unserem Besten angeblich alles brauchen. Und es funktioniert – zumindest hat es das bis vor wenigen Wochen. Wie viele Dinge haben wir alle in unseren Schränken, die wir glaubten, unbedingt haben zu müssen und die jetzt unbeachtet herumliegen? Wer von uns hat nicht aufgrund von Werbehirten schon Produkte gekauft, die er eigentlich überhaupt nicht braucht, weil uns von diesen Hirten glaubhaft vermittelt wurde, dass wir sie haben müssen und sie nur zu unserem besten wären? Wie viele Menschen haben sich durch den Kauf teurer Luxusgüter völlig überschuldet – weil sie auf Hirten hörten, die nur ihr eigenen Interessen verfolgten unter dem Vorwand, den Käufer glücklich machen zu wollen?
Es ist nicht immer leicht zu unterscheiden, welche Hirten den Namen „Hirten“ auch verdienen und wer eher zu den „Dieben und Räubern“ gehört, denen es nur um ihren eigenen Vorteil geht. Das gilt im Alltag, in Gesellschaft und Politik und das gilt auch für unseren Glauben.
Im heutigen Abschnitt aus dem Johannesevangelium nennt uns Jesus, der in der Bibel immer wieder als der gute Hirte bezeichnet wird, Kriterien, an denen wir unsere Hirten messen können und messen müssen.
Jesus selbst ging es immer um die Menschen. Sie stehen im Mittelpunkt seiner Botschaft und seines Handelns – dabei ist das Leben in Fülle der Maßstab Jesu. Auch wenn es keine genaue Definition gibt, was solch ein Leben in Fülle ausmacht, so können wir dies doch in unseren Herzen erahnen. Es geht dabei nicht darum, dass unser Leben mit vielen Dingen und Gütern angefüllt ist, sondern dass es erfülltes Leben ist. Hirten im Sinne Jesu müssen deshalb auch immer den Menschen und sein Wohlergehen im Blick haben. Und überall dort, wo wirtschaftliche Interessen, Regeln und Ideologien plötzlich wichtiger werden als das Wohl der Menschen, da können wir davon ausgehen, dass dort falschen Hirten am Werk sind.
Ein zweites Kriterium das Jesus nennt, ist das Betreten der Hirten durch die Tür. Ein Mensch, der es wirklich gut mit uns meint, der muss sich nicht durch die Hintertür in mein Leben und in meine Gedanken schleichen, der muss mir nichts unterjubeln oder mich subtil zu lenken versuchen, sondern der kann mir ganz offen und ehrlich entgegentreten.
Eine Menger falscher Hirten könnten wir schon erkennen, wenn wir genauer hinschauen würden, ob sie wirklich offen und ehrlich zu uns sind, oder ob sie auf subtile Weise uns zu beeinflussen versuchen. Ich glaube, dass die meisten Menschen dafür ein ganz gutes Gespür haben, wenn sie bewusst darauf achten.
Und ein drittes Kriterium ist in der heutigen Bibelstelle – wenn auch nicht ganz offensichtlich – auch noch genannt. Der gute Hirte geht nämlich vor seiner Herde her und schickt sie nicht nur auf einen Weg, den er selbst nicht beschreitet. Unsere Welt kennt so viele vermeintlich gute Hirten, die Verzicht fordern – und selbst in Saus und Braus leben, die Ehrlichkeit und Gesetzestreue fordern – und selbst lügen und betrügen; die Gleichheit und die Wahrung der Interessen aller fordern – und sich selbst für etwas Besseres halten und nur ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen.
Die Botschaft, dass Gott in Jesus Christus uns Menschen nahegekommen und unseren Weg mitgegangen ist – selbst durch Leid und Tod hindurch – soll uns deutlich machen: dieser Jesus von Nazareth ist tatsächlich ein guter Hirte, der es ehrlich mit uns meint und der uns Menschen und unser Wohl im Blick hat – ihm und seiner Botschaft dürfen wir voller Vertrauen folgen – er will uns auf Wege des Lebens und zum Ruheplatz am Wasser führen.
Auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten. AMEN
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