Mittwochsimpuls 29. April 2020

Liebe Gemeindemitglieder, liebe Gäste,

wer mich kennt, weiß, dass Gelassenheit nicht gerade zu meinen größten Stärken zählt. Bisweilen bekomme ich von Freunden auch mal augenzwinkernd rückgemeldet, dass ein bisschen mehr Gottvertrauen und Gelassenheit auch nicht schaden würden.

Doch „einfach mal gelassen sein“ – ist halt leider nicht so einfach, wie es sich anhören mag. Wer gerne Verantwortung übernimmt, wer sein eigenes Leben gerne unter Kontrolle hat, wer Pläne macht und Ziele hat, dem fällt es mitunter schwerer als anderen, Gelassenheit zu leben und die Dinge auf sich zukommen zu lassen.
Daran ändert leider auch das theoretische Wissen nichts, dass es grundsätzlich eine Illusion ist, sein Leben wirklich in der Hand zu haben. Denn es braucht nicht erst eine Coronakrise, um uns spüren zu lassen, wie sehr wir auch von Dingen abhängig sind, die wir gar nicht beeinflussen können. Die Erfahrung machen wir alle in unserem Leben immer wieder.

Aber trotz allen Wissens, dass ich auf Manches nur wenig Einfluss habe, fällt mir Gelassenheit nicht leicht. Wie viele Pläne habe ich in meinem Leben schon gemacht, wie viele Probleme haben mir den Schlaf geraubt, wie viele zukünftige Situationen und Begegnungen habe ich immer wieder im Kopf durchgespielt, wie viele Eventualitäten bedacht? Und obwohl ich am Ende oft die Erfahrung gemacht habe, dass es dann doch ganz anders gekommen ist und dass ich mich hätte gar nicht so verrückt machen müssen, führten diese Erfahrungen nur selten zu mehr Gelassenheit in ähnlichen Situationen.

Die letzten Wochen führen uns täglich vor Augen, dass es momentan nahezu unmöglich ist, Pläne zu machen. Verordnungen – Einschränkungen und Lockerungen – verändern sich ständig. Niemand weiß, wann Kinder wieder in Kitas und Schulen gehen können, wann Geschäfte und Restaurants wieder öffnen können, ob ein Sommerurlaub in diesem Jahr überhaupt möglich ist, wie sich die wirtschaftliche Situation in unserem Land entwickeln wird und ob wir selbst oder unsere Angehörigen und Freunde auch nächste Woche noch gesund sein werden.

Auch im Gemeindeleben gibt es gerade mehr Fragen als Antworten:
Wann und unter welchen Voraussetzungen können wir in der Schlosskirche wieder Gottesdienste feiern und machen Gottesdienste unter den zu erwartenden Einschränkungen überhaupt Sinn? Können wir am 2. Juli das Jubiläum „300 Jahre Grundsteinlegung Schlosskirche“ feiern – und wenn ja, wie? Wann können wir die Erstkommunionsvorbereitung wieder aufnehmen und die Erstkommunion feiern? Können wir dieses Jahr noch den Gemeindeausflug nachholen? Was ist mit den großen Veranstaltungen der Gemeinde – können wir die ab Herbst durchführen, oder müssen wir gar alles auf das nächste Jahr verschieben?

Liebe Gemeindemitglieder, liebe Gäste,

die erzwungene Erfahrung, dass ich momentan sowohl in meinem persönlichen Leben als auch im Bereich der Gemeindearbeit kaum etwas planen kann, hat in meinem Leben tatsächlich zu mehr Gelassenheit geführt. Mir gelingt es plötzlich viel besser im Hier und Jetzt zu sein und täglich neu zu schauen, was momentan möglich und sinnvoll ist. Gerade die „Unplanbarkeit“ dieser Zeit befreit mich von meinem „Zwang“, alles Planen zu müssen, und hilft mir, Dinge einfach auf mich zukommen und geschehen zu lassen. Es klingt paradox, aber gerade in dieser Krisenzeit mache ich die Erfahrung von mehr Ruhe und Gelassenheit – und ich weiß aus Gesprächen, dass ich damit nicht allein bin.

Natürlich ist mir bewusst, dass ich für eine solche Gelassenheit recht gute Voraussetzungen habe: genug Platz in der eigenen Wohnung – einen voraussichtlich sicheren Job und damit finanzielle Sicherheit – die Möglichkeit, auch in dieser Situation arbeiten zu können – keine Kinder, die ich betreuen muss während ich im Homeoffice arbeiten sollte – technische Möglichkeiten, um Freunde und Verwandte zu sehen und zu hören – und das beruhigende Wissen, dass alle meine Freunde und Angehörige momentan gesund sind.
Viele Menschen in unserem Land müssen unter weit schwierigeren Bedingungen mit dieser Situation fertig werden. Das macht Gelassenheit natürlich deutlich schwieriger.

Aber für uns alle gilt: wir können an der Situation nicht viel ändern, sondern nur Tag für Tag schauen, dass wir das Beste daraus machen. Je besser es uns gelingt, uns mit den veränderten Gegebenheiten abzufinden und vielleicht sogar anzufreunden, umso leichter wird das Leben für uns und für die Menschen, mit denen wir verbunden sind.

In den letzten Wochen zeigte sich in unserem Land nicht nur eine große Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität, sondern auch eine unglaubliche Kreativität im Umgang mit der Krise. Unzählig neue Ideen und Konzepte wurden innerhalb kürzester Zeit entworfen und umgesetzt. Es ist schon erstaunlich und auch beruhigend zu sehen, wie wandlungsfähig wir Menschen sind und dass sich die meisten Menschen auf veränderte Situationen gut und gelassen einstellen können. Das sind die besten Voraussetzungen für ein gelingendes und glückliches Leben – auch außerhalb von Corona-Zeiten.

Ich wünsche uns allen die Gelassenheit, das Gottvertrauen und die Fähigkeit, das Beste aus jeder Situation zu machen, wie es in der folgenden Geschichte zum Ausdruck kommt:

In der Hauptstadt seines Landes, lebte ein guter und gerechter König. Oft verkleidete er sich und ging unerkannt durch die Straßen, um zu erfahren, wie es um sein Volk stand.

Eines Abends geht er vor die Tore der Stadt. Er sieht aus einer Hütte einen Lichtschein fallen und erkennt durch das Fenster: Ein Mann sitzt allein an seinem zur Mahlzeit bereiteten Tisch und ist gerade dabei, den Lobpreis zu Gott über das Mahl zu singen. Als er geendet hat, klopft der König an der Tür: „Darf ein Gast eintreten?“ „Gerne“, sagt der Mann, „komm, halte mit, mein Mahl reicht für uns beide!“ Während des Mahles sprechen die beiden über dieses und jenes. Der König – unerkannt – fragt: „Wovon lebst du? Was ist dein Gewerbe?“ „Ich bin Flickschuster“, antwortete der Mann. „Jeden Morgen gehe ich mit meinem Handwerkskasten durch die Stadt und die Leute bringen mir ihre Schuhe zum Flicken auf die Straße“. Daraufhin fragte der König: „Und was wird morgen sein, wenn du keine Arbeit bekommst?“ „Morgen?“, sagte der Flickschuster, „Morgen? Gott sei gepriesen Tag um Tag!“

Als der Flickschuster am anderen Tag in die Stadt geht, sieht er überall angeschlagen: Befehl des Königs! In dieser Woche ist auf den Straßen meiner Stadt jede Flickschusterei verboten! Sonderbar, denkt der Schuster, was doch die Könige für seltsame Einfälle haben! Nun, dann werde ich heute Wasser tragen; Wasser brauchen die Leute jeden Tag“.

Am Abend hatte er so viel verdient, dass es für beide zur Mahlzeit reichte. Der König, der wieder zu Gast ist, sagt: „Ich hatte schon Sorge um dich, als ich die Anschläge des Königs las. Wie hast Du dennoch Geld verdienen können?“ Der Schuster erzählt von seiner Idee, Wasser für jedermann zu holen und zu tragen, der ihn dafür entlohnen konnte. Der König: „Und was wird morgen sein, wenn du keine Arbeit findest?“ „Morgen? Gott sei gepriesen Tag um Tag!“

Als der Schuster am anderen Tag in die Stadt geht, um wieder Wasser zu tragen, kommen ihm Herolde entgegen, die rufen: Befehl des Königs! Wasser tragen dürfen nur solche, die eine Erlaubnis des Königs haben! Sonderbar, denkt der Schuster, was doch die Könige für seltsame Einfälle haben. Nun, dann werde ich Holz zerkleinern und in die Häuser bringen. Er holte seine Axt, und am Abend hatte er so viel verdient, dass das Mahl für beide bereitet war. Und wieder fragte der König: „Und was wird morgen sein, wenn du keine Arbeit findest?“ „Morgen? Gott sei gepriesen Tag um Tag!“

Am anderen Morgen kam dem Flickschuster in der Stadt ein Trupp Soldaten entgegen. Der Hauptmann sagte: „Du hast eine Axt. Du musst heute im Palasthof des Königs Wache stehen. Hier hast du ein Schwert, lass deine Axt zu Hause!“ Nun musste der Flickschuster den ganzen Tag Wache stehen und verdiente keinen Pfennig. Abends ging er zu seinem Krämer und sagte: „Heute habe ich nichts verdienen können. Aber ich habe heute Abend einen Gast. Ich gebe Dir das Schwert…“ – er zog es aus der Scheide – „..als Pfand! Gib mir, was ich für das Mahl brauche.“ Als er nach Hause kam, ging er zuerst in seine Werkstatt und fertigte ein Holzschwert, das genau in die Scheide passte. Der König wunderte sich, dass auch an diesem Abend wieder das Mahl bereitet war. Der Schuster erzählte alles und zeigte dem König verschmitzt das Holzschwert. „Und was wird morgen sein, wenn der Hauptmann die Schwerter inspiziert?“ „Morgen? Gott sei gepriesen Tag um Tag!“

Als der Schuster am anderen Morgen den Palasthof betritt, kommt ihm der Hauptmann entgegen, an der Hand einen gefesselten Gefangenen: „Das ist ein Mörder. Du sollst ihn hinrichten!“ „Das kann ich nicht“, rief der Schuster voll Schrecken aus. „Ich kann keinen Menschen töten!“ „Doch, du musst es! Es ist Befehl des Königs!“ Inzwischen hatte sich der Palasthof mit vielen Neugierigen gefüllt, die die Hinrichtung eines Mörders sehen wollten. Der Schuster schaute in die Augen des Gefangenen. Ist das ein Mörder? Dann warf er sich auf die Knie und mit lauter Stimme, so dass alle ihn beten hörten, rief er: „Gott, du König des Himmels und der Erde: wenn dieser Mensch ein Mörder ist und ich ihn hinrichten soll, dann mache, dass mein Schwert aus Stahl in der Sonne blitzt! Wenn aber dieser Mensch kein Mörder ist, dann mache, dass mein Schwert aus Holz ist!“

Alle Menschen schauten atemlos zu ihm hin. Er zog das Schwert, hielt es hoch – und siehe: es war aus Holz. Gewaltiger Jubel brach aus. In diesem Augenblick kam der König von der Freitreppe seines Palastes, ging geradewegs auf den Flickschuster zu, gab sich zu erkennen, umarmte ihn und sagte: „Von heute an, sollst du mein Ratgeber sein!“

GEBET

Gott,

gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Einen Tag nach dem anderen zu leben,
einen Moment nach dem anderen zu genießen.

Entbehrung als einen Weg zum Frieden zu akzeptieren,
sie anzunehmen, wie Jesus es tat:

diese sündige Welt, wie sie ist,
und nicht, wie ich sie gern hätte,
zu vertrauen, dass Du alles richtig machen wirst,
wenn ich mich Deinem Willen hingebe,
sodass ich in diesem Leben ziemlich glücklich sein möge
und im nächsten Leben für immer überglücklich.

Amen.

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